Wir verwenden den Begriff Abwehr oft recht sorglos. Schreiben wir jemand eine Abwehrhaltung zu, so bedeutet dies in Wirklichkeit meist, dass er unsere Sichtweise nicht teilt. Aber Abgrenzung ist nicht von vorne herein negativ, denn ohne dieses könnten wir nicht existieren. Die Autorin geht aus von der klassischen Beschreibung der Abwehrmechanismen und stellt diese in Beziehung zu den Elementen und den ihnen entsprechenden Verhaltensmustern. Ebenso werden die typischen Abwehrhaltungen, die in den Tierkreiszeichen und den Planeten zum Ausdruck kommen untersucht. Im zweiten Teil geht Liz Greene besonders auf die Erfahrungen mit Saturn und Chiron ein. Ablehnung, Verlust und Verletzung bedeuten, dass wir Barrieren gegenüber dem Leben oder gegen andere Menschen errichten. Die charakteristischen Abgrenzungen durch Saturn werden diskutiert. Dabei wird vor allem die konstruktive Aufgabe Saturns in den Vordergrund gestellt. Chiron und seine Bedeutung für menschliche Verhaltensmuster werden untersucht, wobei hier vor allem die schwierige Frage der kollektiven Verletzungen zur Sprache kommt. Liz Greene erläutert die positive Seite der Abwehrhaltungen und wie wir diese kreativ in unser Leben integrieren können. Sie zeigt Wege, wie wir dem Teil in uns konstruktiv begegnen können, der ursprünglich unser größter Mangel war.
Planeten und Aspekte als Abwehrmechanismen
Es gibt verschiedene Arten von Rebellion, ebenso wie es auch verschiedene Arten von Freiheit gibt. Manchmal wird der ganz gewöhnliche und gesunde Selbstausdruck eines jungen Menschen als Rebellion verstanden, weil der davon tangierte ältere Mensch neidisch ist und seine Vorherrschaft bedroht sieht. Wir haben es hier mit einem sehr überfrachteten Begriff zu tun, hinter dem sich auf der Seite der ‘Nicht-Rebellen’ eine Vielzahl von Sünden verbergen kann. Es scheint mir nicht so, dass Uranus nur um des Höllenspektakels willen zur Revolte neigt. Lehnt sich ein Wassermann auf, so geschieht dies meist aus ideologischen Gründen. Mit anderen Worten, es gibt einen Grund dafür, ein allgemeines Prinzip, welches sein Aufbegehren rechtfertigt. Wahrscheinlich gibt es eine Reihe von Vorschriften, die der Wassermann nicht akzeptiert, und daneben ein anderes Regelwerk, für das er sich vehement einsetzt. Hinter der Rebellion steht das Aufeinanderprallen verschiedener Wertvorstellungen. Was gemeinhin Rebellion genannt wird, mag in vielen Fällen eher persönliche Wut sein, welche auf emotionale Konflikte mit den Eltern oder auf gesellschaftliche Zwänge zurückgeht, die auf der Gefühlsebene als unterdrückerisch erlebt werden. Dabei geht es nicht um irgendein Prinzip, sondern es ist ein leidenschaftliches "Und wer kümmert sich um mich?" Es handelt sich hierbei eher um eine Äußerung von Mars als von Uranus. Wird das Gefühl der eigenen Fähigkeiten und des eigenen Wertes unterdrückt, so kann sich Mars gewaltsam dagegen zur Wehr setzen. Natürlich gibt es auch Mischformen, bei denen der Kampf für ein allgemeines Prinzip ein ganz persönliches Gefühl der Demütigung und Wut kaschiert oder engstens damit verbunden ist. Vermutlich ist dies sogar die Regel.
Auch Jupiter kann sehr aufrührerisch sein. Versucht man ihn einzufangen, so besteht eines seiner Abwehrmittel darin, alles in die Luft zu jagen und schnellstens zu verschwinden. Jupiter ist auch fähig ein Feuerwerk zu veranstalten, nur um bemerkt zu werden. Im Mythos widersetzt sich Zeus-Jupiter stets gegen die Restriktionen, die seine Frau Hera ihm auferlegt. Dies sind meist sexuelle Beschränkungen, die darin bestehen, dass sie auf einer monogamen Einehe beharrt. Neben dem buchstäblich sich in Szene setzen, wie wir sie manchmal bei einem wild gewordenen Jupiter beobachten können, richtet sich sein Widerstand häufig auch gegen materielle Beschränkungen. Pluto kann ebenso ziemlich umstürzlerisch sein, obwohl man dies meist erst merkt, wenn die Bombe schon explodiert. Plutonische Rebellion, die sich auf der gesellschaftlichen Ebene in Form von terroristischen Überfällen äußern kann, ist meist ein letzter, verzweifelter Versuch, angesichts der als unüberwindbar empfundenen Widrigkeiten das eigene Überleben zu sichern. "Wenn ich dich nicht töte, wirst du mich töten", sagt Pluto, "und deshalb muß ich dich – und damit vielleicht auch mich selbst – vernichten, da ich nur noch die Wahl zwischen Tod und Sklaverei habe." Plutonische Abwehr kann psychologisch auch damit zu tun haben, lieber einen zutiefst geliebten Menschen zu verletzen oder eine wichtige und nötige Beziehung zu beenden, anstatt beherrscht und gedemütigt zu werden. Sie sehen, dass sich jeder Planet mit einer eigenen Art der Auflehnung gegen seine Vernichtung wehrt. Uranische Rebellion ist nicht unbedingt nur der Aufruhr von Teenagern. Sie mag anarchisch erscheinen, doch in der Regel steckt eine bestimmte Ideologie dahinter.
Wir müssen uns bewusst machen, dass sich Abwehrmechanismen auf der einen Seite und Mitgefühl, Liebe, Anstand, Integrität, Ehrlichkeit oder Feingefühl gegenüber anderen Menschen auf der anderen Seite nicht gegenseitig ausschließen. Jene menschlichen Eigenschaften, denen wir höchsten Wert beimessen, haben auf eine bestimmte Weise auch mit den Abwehrhaltungen zu tun. Sehen wir diese wünschenswerten Attribute als Teil eines Abwehrmechanismus an, so bedeutet dies keineswegs, dass sie falsch oder vorgetäuscht wären. Wenn ich die ethischen Vorstellungen des Wassermanns als Teilaspekt seiner Abwehrhaltung auffasse, unterstelle ich damit nicht, dass sie geheuchelt sind oder auf niedrige Beweggründe zurückgehen. Abwehrmechanismen sind weder künstlich noch sind sie eine bloße Angstreaktion. Sie sind dazu da, dem Leben zu dienen, und sie gehören ebenso zur Seele des Menschen wie seine "höheren" Bestrebungen. Die Angst des Wassermanns vor Rohheit und Wildheit geht zum Teil auf die klare und mitfühlende Erkenntnis dessen zurück, was ein derartiges Verhalten für andere Menschen bedeutet. Doch das hartnäckige Insistieren des Wassermanns auf dem, was man "sollte" und "müsste", kann auch ein bisschen zwanghaft sein, und dies zeigt uns, dass hier Abwehrmechanismen zugange sind.
(...)Wir können die Abwehrmechanismen Merkurs auch benutzen, um uns davor zu schützen, unseren Mond, Neptun oder Pluto zu erfahren. Die Dinge zu benennen und in Kategorien einzuteilen kann eine sehr kreative Form der Abwehr dagegen sein, diese zu spüren. Merkur kann auch eine bestimmte Fachsprache als Abwehr benutzen – dessen machen sich viele Astrologen und ebenso viele Psychologen schuldig. Die Fachsprache kann eine Abwehr dagegen sein, die eigene Verletzbarkeit in gewöhnlichen menschlichen Begriffen auszudrücken. Sie verbirgt etwas. Was bedeutet es wirklich, wenn wir zu einem Freund sagen: "Saturn geht diese Woche ins Quadrat zu meinem Mond?" Wir haben die Fachsprache benutzt, um etwas auszudrücken, weil wir es nicht gewagt haben, zu sagen: "Ich fühle mich ausgesprochen mies und niedergeschlagen. Ich bin einsam. Ich mag mich gerade selber nicht besonders, und wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich nur ein Häufchen Elend. Ich habe keine Freunde, mein Zustand ist wirklich beklagenswert, und meine Mutter ist auch gerade gestorben." Verständlicherweise wird es wenig Freunde geben, die das alles hören wollen. Es ist besser, die Fachsprache zu benutzen, denn sie wahrt die Grenzen. Sie dient auch als Schutz dagegen, hilflos, verletzbar und bedürftig zu erscheinen. Doch ich hatte auch schon psychoanalytische Klienten, die mit Astrologie vertraut waren und sich lieber in dieser Fachsprache versuchten als in der therapeutischen Sitzung ihre Gefühle zu offenbaren. Manchmal ist die Fachsprache unangemessen, und dann ist die Abwehr nicht mehr konstruktiv. Wenn ich zu einem anderen Astrologen sage: "Ich fühle mich einsam und miserabel", so lautet die Antwort meist: "Welche Transite hast du denn gerade?" Das liegt zum Teil daran, dass die Fachsprache eine Abwehr dagegen sein kann, auf das Unglück eines anderen Menschen emotional zu reagieren. Die Fachsprache läßt uns Bewegungsfreiheit. Hier sehen wir wieder, dass sie eine konstruktive und kreative Abwehr sein kann, denn manchmal verlangen andere Menschen einfach zu viel. Die astrologische oder psychologische Fachsprache kann uns auch helfen, einem Menschen Anhaltspunkte zu geben, der von seinen Gefühlen überwältigt wird. Jeder Astrologe und Ratgeber weiß, wie heilsam es sein kann, sobald einem die eigene Krise in neutralen Begriffen erklärt wird, welche dann alles in einen größeren Zusammenhang stellen.
Die Abwehr mit Hilfe der Fachsprache kann manchmal auch sehr belustigend sein. Vor vielen Jahren, als ich zum ersten Mal zu dem Treffen eines Astrologenverbandes ging, gab es dort eine kurze Pause, und alle stellten sich an, um Kaffee zu bekommen. Ein Mann in der Reihe hinter mir lächelte mich an und sagte: "Hallo! Wo steht Ihre Venus?", ohne sich lange mit Banalitäten wie: "Wie heißen Sie?", "Was haben Sie später vor?" oder "Ich finde Sie sehr attraktiv" aufzuhalten. Unerfahren wie ich damals war, sagte ich es ihm, und er sah mich bedeutungsvoll an, kam näher und sagte: "Oh, sie steht im Trigon zu meinem Mars!" Nichtastrologen können sich wohl kaum vorstellen, wie viel Obszönität in solchen unschuldigen Bemerkungen stecken kann. So elegant dieser Annäherungsversuch auch war, war er doch voller Abwehr. Es gelang diesem Mann damit, eine mögliche Abfuhr zu vermeiden. Hätte er gefragt. "Was haben Sie später vor?", so hätte ich vielleicht antworten können: "Alles mögliche, aber nicht mit Ihnen." Vielleicht erwartete er diese Art Antwort von Frauen. Ich habe ihn nicht gefragt, ob er Venus Opposition Saturn hatte. Ich hätte Interesse bekunden und sagen können: "Meine Venus steht da und da. Wo steht Ihr Mars?" Wir hätten dann weiter Horoskopfaktoren austauschen können, ohne uns der Gefahr einer Verletzung auszusetzen. Unglücklicherweise reagierte ich nicht auf das, was für ihn theoretisch perfekt zu passen schien, und fragte nicht weiter. An diesem Punkt endete die Unterhaltung. Doch an diesem Beispiel können Sie deutlich sehen, wie unsere Fachsprache etwas vermittelt und uns zugleich vor den emotionalen Risiken schützt, denen sich Astrologieunkundige jedes Mal aussetzen müssen, wenn sie jemanden attraktiv finden.
Manche Psychoanalytiker benutzen ihre Fachsprache in erschreckendem Ausmaß. Jeder emotionale Zustand, jede Verhaltensweise wird mit einem Etikett versehen, und damit hat es sich. Man wehrt ab, man bedient sich negativer Übertragung oder zeigt ödipales Verhalten. "Sie projizieren da etwas!" ist ein gleichfalls sehr beliebter Spruch, ebenso wie die Begriffe Anima und Animus. "Ich musste mich auf diese Affäre einlassen", sagt der unerfahrene Jungianer zu seiner Frau, "sie war die ideale Projektionsfläche für meine Anima." Das ist sehr viel einfacher und eleganter als zu sagen: "Ich konnte einfach meine Finger nicht von ihr lassen." Stellt man die ganz gewöhnliche Lust in einen klinischen Zusammenhang, so wird sie irgendwie abgehobener und ist leichter zu verteidigen. Worte können eine wunderbare und massive Abwehr sein. Wir alle brauchen die Abwehr Merkurs, denn es wäre unerträglich, wenn wir uns gegenseitig das Innerste unserer Seele zeigen würden. Worte können ein sehr notwendiger und äußerst kreativer Abwehrmechanismus sein. Doch wir sollten auch wissen, wann wir es übertreiben und wann wir unmittelbar mit dem Körper und dem Herzen kommunizieren müssen.
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