Bernadette Brady setzt sich in diesem bahnbrechenden Buch intensiv mit der Kritik an der Astrologie auseinander. Dabei geht sie von der Chaostheorie aus, der zufolge schon kleinste Veränderungen zum richtigen Zeitpunkt zu ganz neuen Strukturen führen können. Diesen Ansatz verbindet sie mit den astrologischen Prognosetechniken und zeigt Ihnen, wie Sie Veränderungen annehmen können — ja, wie Sie diese geradezu selbst herbeiführen können. Sie wurde für dieses Buch beim UAC 2008 mit dem Reguls Award in der Kategorie "Theorie und Verständnis" ausgezeichnet.
Astrologie und Chaos-Theorie
Die Entdeckung der Chaos-Theorie und der Komplexität hat die mechanistischen Augen der Wissenschaft für den eigentlichen Kern an Erkenntnissen geöffnet, von dem wir instinktiv schon seit Anbeginn der Zeit wussten. Indem die Wissenschaft über das Chaos stolperte, fand sie zufällig einige der Prinzipien der nicht-mechanistischen Welt: die Welt des Lebendigen und die Welt, die das Leben unterstützt. Als ein Ergebnis dessen kam eine neue Sprache zum Vorschein, die von den weichen Wissenschaften wie Psychologie, Soziologie oder Anthropologie übernommen wurde, eine neue Sprache, welche es diesen verschiedenen Bestandteilen des Wissens ermöglicht, eine eindeutigere Stimme zu finden.
Ich bin davon überzeugt, dass diese neue Stimme auch neue Einblicke in die polarisierende Debatte über die Rolle der Astrologie in der westlichen Kultur eröffnen kann. Diese Diskussion über das eigentliche Wesen der Astrologie pendelt bisher zwischen zwei starren Positionen. Die eine Seite befürwortet den Standpunkt, dass die Astrologie dem Newtonschen Paradigma unterliegt und damit eine Wissenschaft ist, die noch immer nach ihrem kausal wirksamen Prinzip sucht. Die andere Seite erklärt, dass die Astrologie ihrem Ursprung nach spirituell oder göttlich sei. Aber diese Diskussion ist in Wahrheit eine Auseinandersetzung über die Natur der Kausalität. Die wissenschaftliche Position sucht eine messbare Ursache, während die spirituelle Position Gott oder den Göttern die Rolle des kausalen Wirkens zuteilt.
Die Entdeckungen der Chaos-Theorie und der mit ihr verwandten Komplexitätstheorie legen einen möglichen Ausweg aus dieser Sackgasse nahe, denn beide zeigen eine dritte Orientierung auf, die der Astrologie keine kausale Begründung abverlangt, sei diese nun physikalischer oder übernatürlicher Art. Das Denken der Chaos-Theorie ermöglicht der Astrologie, aus beiden argumentativen Ansätzen jeweils das Beste zu nehmen. Es verleiht der Astrologie eine von der Allgemeinheit akzeptierte Stimme und gestattet ihr gleichzeitig, ihr Mysterium und ihr Staunen durch eine Form der Divination oder das Lesen der Strukturen zu erhalten, aber ohne kausale Götter.
Zusätzlich und unabhängig von dieser Diskussion können Astrologen die Neuentdeckungen in der Chaos-Theorie und der Theorie des Komplexen anwenden, um einige der immer währenden Fragen der Astrologie wieder aufzugreifen wie etwa: „Was ist Astrologie eigentlich überhaupt?“ „Warum ist die Astrologie so beständig in unserer Kultur?“ „Warum wird die Astrologie so verunglimpft?“ Dazu gehören aber auch mehr philosophische Fragen wie: „Was ist die Funktion von Schicksal und freiem Willen im Horoskop?“
Es ist ein Anliegen dieses Buches, diese Fragen näher in Augenschein zu nehmen. Wir sollten uns bei diesem Unterfangen jedoch vor übertriebener Begeisterung hüten. Ein Sprichwort besagt, dass jede Generation dasjenige Stonehenge bekommt, das sie verdient. Diese Redensart erinnert uns daran, dass der majestätische und megalithische Ort aus Stein und Geschichte nahe bei Salisbury ein Rätsel ist, das auch die gegenwärtigen Bedürfnisse der Gesellschaft reflektiert. Die Metapher dieses Sprichworts passt auch gut zur Astrologie: Jede Generation ruft die Astrologie ins Leben, die sie benötigt oder begehrt. So wie die westliche Kultur davon abkommt, das Newtonsche Modell als die allgewaltige und unumstößliche Weltanschauung anzusehen, so können die Findungen der Chaos-Theorie und der Theorie der Komplexität, kombiniert mit Astrologie, für viele von uns eine Offenbarung sein. Aber dieser Enthusiasmus mag verblassen, wenn wir dieses Paradigma von einer anderen Zeit und von einem anderen Ort her betrachten.
Mit diesem Warnsignal im Hinterkopf habe ich im letzten Kapitel dieses Buches einen astrologischen Zugang definiert, den ich als „Chaos-Astrologie“ bezeichnet habe. Es liegt mir allerdings fern, die Astrologie in einen primitiven Nebenzweig der Chaos-Theorie zu verkehren. Ich möchte mir vielmehr nur die Vorgehensweise anderer Wissensgebiete zueigen machen, sobald diese die Chaos-Theorie in ihren Themenkatalog aufnehmen - Chaos-Biologie, Chaos-Ökonomie, Chaos-Psychologie usw. Viele Astrologen, die meinen Versuch zur Kenntnis nehmen, die Praxis der Chaos-Astrologie zu definieren und zu erforschen, werden feststellen, dass ihr bisheriges Verständnis von Astrologie bereits in Richtung Chaos geht. Davon bin ich fest überzeugt.1 In Anlehnung an einen Ausspruch des französischen Sozialisten Bruno Latour meine ich, dass Astrologie nie modern, sondern immer chaotisch war.
Schließlich ist diese Arbeit eine Einführung in die neuen Ideen von Chaos und Komplexität, angewandt auf das Gebiet der Astrologie. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind diese Ideen überwiegend theoretischer Art. Alle empirischen Schlüsse habe ich aus den Erfahrungen meiner eigenen Praxis als Astrologin gezogen. Es sind noch sehr viel mehr Forschungen nötig, bevor wir als Fachgemeinde wirklich Vertrauen in die Vernetzung von Astrologie und Chaos-Theorie haben können. So ist es das einfache Ziel dieses kleinen Buches, die Möglichkeiten für dieses Netz aufzuzeigen, bevor wir beginnen können, die Divination ohne die Götter zu erforschen.
Astrologie und die Welt jenseits des Gartenzaunes
Die Astrologie, die allgemein gesagt als die Praxis des Lesens der himmlischen Prophezeiungen definiert werden kann, nahm ihren Ursprung, als die Schöpfung noch mit der Leere verquickt war. Diese Tatsache scheint sowohl von den Astrologen als auch von ihren Kritikern vergessen worden zu sein. Es herrscht generelle Übereinstimmung darüber, dass die Anfänge der Astrologie ungefähr 3000 v. Chr. in Mesopotamien zu suchen sind. Die sichtbare Welt wurde als eine fließende, sich gegenseitig austauschende Beziehung zwischen der Erde und dem Himmel gesehen, und die Astrologie war die Praxis der Auslegung dieser Mischung. James Tester (A History of Western Astrology, S. 13) vermerkt über die Babylonier:
Sie setzen eindeutig voraus, dass es einen Bezug gibt zwischen dem, was am Himmel geschieht, und dem, was auf der Erde passiert, obgleich sie nicht annehmen, dass es sich um ein Verhältnis von Ursache und Wirkung handelt.
Hier lässt Tester, obwohl nicht unbedingt beabsichtigt, durchblicken, dass die babylonische Weltanschauung auf einer Annahme beruhte, die wir heute als chaotisches Paradigma definieren. Dabei entspringt die Schöpfung aus der Leere; die Ordnung vollzieht sich ohne einen linearen und kausalen Akteur. Die Babylonier waren bemüht, die sich entfaltenden und aufstrebenden Lebensstrukturen auf der Erde durch ein Gemisch aus Himmelsphänomenen, Wetterbeobachtungen und Vorzeichen zu verstehen. Es liegt nahe, dass eine Kultur, die den Himmel beobachtete und alle Ereignisse aufzeichnete, um ihre turbulente Welt zu verstehen, ein frühe Form von Astrologie entwickeln würde. Tatsächlich konnte die Astrologie nur im Rahmen solch einer chaotischen Philosophie entstehen, da diese Philosophie annimmt, man könne Ordnungsmuster für irdische Ereignisse verstehen und erkennen, indem man die zahlreichen und komplexen Variablen des Himmels beobachtet.
Folglich ist die durch chaotische Schöpfungsmythen definierte Welt in hohem Maße verschieden von der Welt, in der wir zu leben meinen. Nicht nur, dass die chaotische Welt vollkommen anders funktioniert und die Ordnung auf eine andere Weise herstellt, welche ohne logische Kausalität auskommt, sie hält auch an ganz anderen Glaubensvorstellungen fest und hat völlig verschiedene Erwartungen an und eine absolut andere Begriffsbestimmung für das Göttliche. Kurz gesagt, funktioniert die Welt des Chaos so, also ob alle Dinge miteinander verknüpft wären, und schreibt vor, dass es besser ist, in Harmonie mit der Welt zu leben, um die bisherige Ordnung zu erhalten. Teil dieser Harmonie war die Notwendigkeit, die täglichen und öffentlichen Rituale zu respektieren, die zum Erhalt der Gesellschaft da waren, während man zur selben Zeit umsichtig sein musste, die ersten Anzeichen von neuen Ereignissen, Ideen oder Bedrohungen zu erkennen. Diese neu eintretenden Ereignisse konnten zuerst in Träumen, in Wolkenbildungen, im Flug der Vögel oder in der Bewegung der Planeten vor dem Sternhimmel beobachtet werden.
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