
Das wiedergeborene Licht
Die Sonne war und ist die Quelle allen Lebens auf der Erde, denn ohne sie kann nichts gedei-hen. Schon vor der Zeitenwende waren die Menschen von einer tiefen Ehrfurcht vor der Son-ne ergriffen. Ein Hymnus, der dem Philosophen Macrobius zugeschrieben wird, besingt sie mit den Worten: „Sonne, Du Zier der Erde und des Himmels, Sonne, du gemeinsames Licht für alle, Sonne, du Glanz der Nacht und des Lichts: Sonne, du bist Anfang und Ende.“ (Hoerner 1978, S.126)
Nur durch die Sonne entwickelt sich das Leben, und durch ihren Untergang scheidet es dahin. Auf dem Sonnenlauf durch das Jahr ergeben sich unterschiedliche Tageslängen und Lichtverhältnisse. Das Jahr wird durch den Stand der Sonne an ihren beiden Wendepunkten und an den Tagundnachtgleichen in die vier Jahreszeiten gegliedert. Der für den Jahreslauf der Sonne entscheidende Punkt ist dabei die Wintersonnenwende.
Mit den kürzeren Tagen ändern sich in unseren Breiten auch die Temperaturen, es wird zuse-hends kühler, nachts gibt es Frost, Regen wird zu Schnee. Die Pflanzenwelt passt sich den äußeren Verhältnissen an, zieht sich im Herbst immer mehr zurück, Bäume und Sträucher werfen ihr Laub ab. Die Tiere begeben sich in Winterschlaf oder Winterstarre. Dieses Zurückziehen der Natur ist bereits ein Vorzeichen der Wende.
In den Tagen um die Wintersonnenwende am 21. Dezember scheint alles in der Natur stillzu-stehen, die Sonne befindet sich an ihrem absoluten Tiefpunkt. Mit der Wintersonnenwende wird die Zeit der Dunkelheit aber zugleich überwunden. Das lebensbestimmende Zentralgestirn befindet sich von nun an wieder im Aufstieg, und das neue und wieder erstarkende Licht wird geboren. Ein neuer Jahreszyklus beginnt, die Kräfte des Lebens sammeln sich erneut zu dem, was im Frühjahr durchbrechen wird. Im mythischen Denken erscheint dieser Tag als der bedeutsamste auf dem Zifferblatt der Weltuhr.
So findet dieses Naturgeschehen um den Abstieg der Sonne zum Beispiel im Mythos um De-meter und Persephone sein symbolisches Abbild. Hades, der Gott der Unterwelt, entführte Persephone in sein Reich. Ihre Mutter Demeter, die Göttin des Getreides, irrte verzweifelt von einem Ort zum anderen auf der Suche nach ihrer Tochter. Darüber vergaß Demeter ihre Pflichten – die Bäume trugen keine Früchte mehr und die Pflanzen welkten. Eine Hungersnot kam über die Erde und die Menschen drohten auszusterben. Selbst Zeus konnte Demeter nicht umstimmen. Um größeres Unheil abzuwenden, flehten die Götter Hades schließlich an, das Mädchen wieder freizugeben. Da Persephone in der Unterwelt aufgrund einer List des Hades von den Kernen eines Granatapfels gegessen hatte, konnte sie nicht mehr für immer auf die Erde zurückkehren. Um Demeters Fluch von der Erde abzuwenden, entschied Zeus, dass Persephone ein Drittel des Jahres in der Unterwelt bleiben und die übrigen Monate mit Demeter verbringen sollte. Jedesmal, wenn Persephone im Frühjahr auf die Erde zurückkehrte, und solange sie bei ihrer Mutter Demeter war, ließ diese die Erde blühen und Früchte tragen. Die Wende der Sonne spiegelt sich in der Wandlung Persephones, die als Mädchen in die Unter-welt geht, jedoch als Frau zurückkommt und Licht und Vegetation mitbringt.
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