2. Astrologie in der Gegenwart – oder die außergewöhnliche
Erfolgsstory eines Randfachs
Die Astrologie ist bis heute ein Randfach. Im Mainstream der akademischen Vernunft geht sie ohne Weiteres unter. Astrologie ist eine unter vielen Varianten der Menschenkunde. Die populären spirituellen und philosophischen Überzeugungen des postreligiösen Menschen unterstellen der Astrologie nach wie vor einen Hang zu Fatalismus und Determinismus. Spiritualität im Äon des Wassermanns hingegen pocht auf die freie Wahl von Glauben und Unglauben.
Und doch hat die Astrologie während des gesamten 20. Jahrhunderts eine erstaunliche Karriere hingelegt, eine Karriere, die Weltkriege und Diktaturen zwar zu verzögern, aber nicht wirklich zu stoppen vermochten. Spätestens seit den 70er-Jahren erlebt die Astrologie nachgerade einen Boom. Dazu einfach einige Zahlen und Beispiele aus dem mitteleuropäischen Raum:
Um die Wende zum 20. Jahrhundert kannte vielleicht einer unter 5000 Erwachsenen sein persönliches Sonnenzeichen. Heute kennt (fast) jeder sein Sonnenzeichen und meist auch seinen Aszendenten!
1955 gab es in der damaligen Bundesrepublik Deutschland genau eine astrologische »Schule«, die eine Ausbildung in Astrologie anbot. Um die Jahrtausendwende waren es schätzungsweise 40 »Schulen«, die meist nebenberufliche Ausbildungsgänge und Einzelseminare boten. Dieses Angebot ist meist auf Studierende zugeschnitten, die später selbst als professionelle Astrologen arbeiten möchten. Die Zunahme astrologischer Ausbildungsangebote spiegelt die Zunahme selbstständiger professioneller Beratungsangebote und zugleich natürlich auch den wachsenden Beratungsbedarf wider.
Die wachsende Zahl von Beratungsanbietern sorgte mittel- und langfristig für einen außergewöhnlichen Zuwachs an astrologischer Fachliteratur. Professionelle Berater kumulieren Erfahrungen, die sich mit bisherigen Deutungsstandards decken oder ihnen widersprechen. – So oder so, darüber wird in Fachveröffentlichungen geschrieben. In den 50er-Jahren gab es als Anbieter im Wesentlichen den Baumgartner-Verlag in Warpke-Billerbeck im niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg sowie den Ebertin-Verlag in Aalen. Andere Verlage betteten einige wenige Astrologica in ihr sonstiges Programm ein. »Fachliteratur« war bis in die 70er-Jahre hinein nicht immer leicht zu beschaffen. Dass sich das geändert hat, hängt einerseits mit der Professionalisierung der Astrologieszene zusammen, andererseits aber auch mit den in den 70er-Jahren entwickelten Standards im Buch- und Verlagswesen (Einführung der ISBN usw.).
Das Wirken weiterer verlegerischer Initiativen in der astrologischen Szene kann nicht genug gewürdigt werden: Zu nennen sind neben der astrologischen Pionierarbeit der Kailash-Buchreihe im damaligen Münchener Hugendubel-Verlag (Siebzigerjahre) der Chiron Verlag (seit 1985), der Verlag Astronova (seit 2000) und die Edition Astrodata, die drei bedeutendsten, auch heute bestehenden Astro-Fachverlage mit der relativ höchsten Anzahl von Titeln.
Das Ausbildungsangebot wird auch von Interessierten wahrgenommen, die sich mit dem Denk- und Deutungssystem der Astrologie, mit ihrer Bildersprache vertraut machen möchten, ohne deswegen als Astrologen arbeiten zu wollen. Wenn Bildung leicht(er) zugänglich wird, treten wie selbstverständlich die Neugierigen auf den Plan und sorgen für einen weiteren und breiteren Anstieg des Bildungsgrades.
Eigens sollte man hervorheben, dass die Astrologen überhaupt beraten gelernt haben: Astrologische Gutachten bzw. Konsultationen haben spätestens seit den 70er-Jahren den Ton der Schicksalsverkündung aufgegeben. Die astrologische Beratung macht Wahlmöglichkeiten sichtbar. Sie bereitet Entscheidungen vor, aber nimmt sie dem Ratsuchenden nicht ab. Zugrunde liegt die »Blickumstellung«, die die psychologische Astrologie seit Mitte der 20er-Jahre vollzogen und in der gesamten astrologischen Gemeinschaft eingefordert hatte: den Blick weg von der ehernen Schicksalszuschreibung durch das Horoskop und hin zu den horoskopisch gegebenen Möglichkeiten von Schicksalsgestaltung. Damit einher ging und geht die Bewusstmachung von Aussagegrenzen des Horoskops.
Schon zwischen den beiden Weltkriegen gab es eine beachtliche Blüte der Astrologie in Deutschland und Europa, auf welcher der Boom seit den 70er-Jahren inhaltlich und organisatorisch aufbaute. In Deutschland litt allerdings die Astrologie vor allem unter der Verfolgung durch das Dritte Reich.
Von C. G. Jung stammt die optimistische Prognose »Die moderne Astrologie nähert sich mehr und mehr der Psychologie und klopft bereits vernehmlich an die Tore der Universitäten«. In der Tat sahen und sehen manche Astrologen eine ihrer dringlichen Aufgaben in einer Etablierung der Astrologie an den Universitäten. Im Zeitalter der Reformation und in der frühen Neuzeit, als Astronomie und Astrologie noch als Einheit galten, war dies kein Problem. Diese Einheit zerbrach im Zug der Aufklärung. Sie ist nie wieder hergestellt worden. Die Astrologie geriet im 17. Jahrhundert in eine Krise, als sich das mathematisch-mechanistische Weltbild Isaac Newtons durchzusetzen begann. Zunehmend wurde die Astrologie von den Universitäten verdrängt.
Im angelsächsischen Raum gibt es bei den dortigen privatwirtschaftlichen Möglichkeiten, Bildung anzubieten, inzwischen tatsächlich akademische Studiengänge, die ein breites Wissen in Astrologie und deren Nachbardisziplinen bieten, einmal in Großbritannien an der University of Wales sowie am Kepler College im Staat Washington, USA,
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